How I met VdB

10 Minuten Lesedauer

How i met him…

Mitte Oktober kam der sympathisch-beliebte Grün-Professor in die Tyrolia nach Innsbruck, um sein Buch vorzustellen. Wie beliebt er ist, sah man einerseits an der Anzahl der Gäste (das Obergeschoss der Tyrolia reichte kaum aus, um den Leuten Platz zu bieten) und andererseits an der Durchmischung der Altersklassen – vom 18-jährigen Maturanten bis zur 85-jährigen Seniorin, war alles da. Er selbst ist immer wieder erstaunt, wie viele Menschen ihn noch kennen, obwohl er seit sieben Jahren nicht mehr Bundessprecher der Grünen ist – gerade unter den Jungen, die zu seiner aktiven Zeit ja zehn Jahre und noch jünger gewesen sein müssen. Von diesem Phänomen wurde ich selbst überzeugt, als ich zu später Stunde noch ein Bild von uns zwei auf Facebook postete und es zu meinem meist-gelikedten im Monat Oktober wurde.
DSC_0095Während der Moderator einige Zeit über das Buch monologisierte und das Publikum begrüßte, saß Van der Bellen sehr leger da, putzte seine Brille, schaute etwas grimmig-nachdenklich und war dann überrascht, dass der Moderator das Buch wirklich gelesen hat. Er erzählte von seinen estnischen Eltern, seiner sentimentalen Verbindung zu Tirol, dem gigantischen Unterschied zwischen Kaunertal und Kaunerberg, sowie davon, dass Kaunertalerisch durchwegs als Zweitsprache gilt, weil wo ist bitte die Verbindung zwischen „ouche“ und „hinüber“ – das ist eine andere Sprache – kein Dialekt!
 
Unzufrieden ist der sprachverliebte Professor übrigens mit dem Titel seines Buches: „Die Kunst zur Freiheit“ hätte er sich noch einreden lassen, aber „Die Kunst der Freiheit“, ist doch ein bisschen sehr klugscheißerisch. Und der Untertitel „in Zeiten zunehmender Unfreiheit“, geht ja gar nicht. Aber die Leute die das vermarkten, haben das empfohlen und so beugte er sich deren Know-How. Persönliches fand auch Platz. So erzählte er von einer Art Midlifecrisis um die 50, wo ihn Peter Pilz geschickt in die Politik lockte und er sich zu dieser Zeit im schönen Unileben fragte: „Soll es das gewesen sein? – Oder geht noch was? – Und wenn man nicht sofort nein sagt, ist man schon dabei!“ – War das jetzt schon die Zusage zur Bundespräsidentenkandidatur? – Ich glaub, JA!
Gestört hat mich, dass es keine Fragerunde gab. Das Thema TTIP wurde nicht erwähnt (in den Medien habe ich aber vorab gelesen, dass er dem relativ positiv gegenübersteht) und eine weitere Frage wäre gewesen, ob er sich auch vorstellen hätte können beim „Liberalen Forum“ seine Politkarriere zu starten, hätten ihn die Grünen nicht wenig Zeit vorher gefunden. Er selbst bezeichnet sich ja als Liberalen und für Heide Schmidt und Hans-Peter Haselsteiner hegt er große Sympathie. Danach wurden noch Bücher signiert (relativ unspektakulär gab es ein Autogramm mit pinkem Fineliner). Eigentlich wollte ich ja dann meine Fragen stellen, aber irgendwie wirkte er sehr reserviert und ich wollte nicht nerven (selber schuld – ich hätte ja in Freiheit, eigenverantwortlich Mut aufbringen können). DSC_0171

…, read his book….

Das Buch erzählt in vier großen Kapiteln („Eigenheiten, „Politik, „Europa in der Welt“ und Überwachung und persönliche Freiheiten“) und mehreren Unterkapiteln die maximal fünf Seiten umfassen – kurz und prägnant „die Welt des VdB“ und seinen Begriff von Freiheit. Aus knapp 100 Stunden Kaffeehausgesprächen wurde dieses Buch herausdestilliert. Im Vorwort wird angemerkt, dass er sich selbst nicht als Philosoph sieht und es sich hierbei um einen Text handelt für vergnügliche, nicht allzu anstrengende Lesestunden.

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© Brandstätter Verlag

Sein politisches Bewusstsein entstand als Assistent auf der Uni Innsbruck, wo den Studierenden damals kaum Rechte zustanden. Die alten Herren entschieden und wer sich dagegen wehrte, dem war der akademische Berufsweg quasi verhindert. Das Schmieden von Allianzen war übrigens mit dem RFS (Ring Freiheitlicher Studenten) einfacher als mit dem ÖVP-nahen CV (Cartellverband). Schwieriger war es zwar auf einen Nenner mit dem RFS zu kommen, aber wenn eine Einigung stand, stand sie. Mit dem CV wurde schneller verhandelt, ob man sich dann aber an die Abmachung hielt, war situationselastisch.
Bei der ÖVP schaute er mal kurz vorbei, bei der SPÖ war er länger Mitglied. Was ihn aber verwunderte, war das absolute Unverständnis der ÖVP für die Anliegen der 68er und die Thematik rund um Heinburg bei der SPÖ. Nach einem geschickten Manöver von Peter Pilz, saß VdB Anfang der 1990er dann im Nationalrat.
„ Die ökologische Frage“ und „die Menschenrechte“ sind der Grund, warum er ein Grüner ist, sagt er. In vielen anderen Bereichen scheinen seine Ansichten aber geradezu wie vom politischen Gegner: Die Grünen waren 1995 entscheiden gegen den EU-Beitritt und heute ist man in ähnlicher Härte gegen das Freihandelsabkommen TTIP („TTIP ist der Horror“ wurde vor Kurzem in Oberösterreich plakatiert). Van der Bellen kontert dem: „Vor lauter Alarmschlagen wird man allzu leicht taub und blind für die langfristige Perspektive“. Das ist doch eine schallende Ohrfeige zu aktuellen grünen Positionen, oder sehe das nur ich so? Die Grünen sagen ja nicht „TTIP – Achtung – lasst uns genau hinschauen“, sonder „Stoppt den Scheiß!“. Umso verwunderlicher, dass so viele Grüne ihn als Bundespräsidenten wollen – kommt mir fast so vor, als würden sie jemanden aufstellen, der für Atomkraft und mehr Antibiotika-Massentierhaltung in Käfigen eintritt.
Er selbst bezeichnet sich als Liberalen. Die grundsätzliche Abneigung vieler seiner Kollegen gegen Konzerne und Unternehmertum versuchte er ein positives Image gegenüberzustellen und nicht nur schwarz-weiß zu denken. Den Verboten seiner Partei steht er auch kritisch gegenüber. Diese seien zwar oft „lieb gemeint, aber wer entscheidet?“. Im Werbebereich wird z.B. verboten „ohne Anlass zu lächeln“ – „Ich freue mich immer wenn jemand mich anlächelt, egal, was die Person anhat. Das ist doch schön.“ Interessant auch, dass im Wiener Wahlkampf ein grünes Plakat als sexistisch eingestuft wurde, die Partei das aber weiterhin affichierte. Das Couleurverbot an der Uni Wien bezeichnet er ebenso als absurd: „Was kommt als nächstes? Das Kopftuch?“
In einer internen Umfrage der Grünen in den 1990ern hat er relativ gut abgeschnitten. Nur im Bereich „vertritt immer grüne Positionen“ war er schlecht. Wenige Wochen später wurde er Grüner Bundessprecher – „Das spricht für die Grünen, oder?“, meint er. Den Verboten stellte er marktwirtschaftliche Konzepte (Steuern) gegenüber und war damit nach langen Diskussionen relativ erfolgreich.

…and made my conclusion:

„Was darf die Mehrheit“, „was darf die Minderheit“ und weitere Fragen werden auf den 161 Seiten im privaten sowie politischen Bereich aus seiner Sicht beantwortet. Seine Liebe zu Europa kommt mit ¼ des Buches auch nicht zu kurz.
Die Einblicke in private Entscheidungen finde ich persönlich ganz spannend:
Der akademische Weg war familiär vorgegeben. Heute würde er sowas brotloses wie Vergleichende Literaturwissenschaften studieren. Aus Angst kein Brot zu verdienen, wurde er damals aber Volkswirt. Heute sei er mutiger. In die Politik wollte er nicht – wurde aber geschickt gedrängt. Bundessprecher wollte er auch nicht werden – wurde er aber. Und jetzt Bundespräsident? Mit dem „Verlust an Privatsphäre“ begründet er sein aktuelles Zweifeln. „Allerdings wäre es interessant, ob ein Immigrant wie ich, das in der aktuellen Situation schaffen kann.“ Umfragen geben ihm gute Chancen.
Nach der Lektüre von „Die Kunst der Freiheit“, glaubt man, die Welt des Alexander Van der Bellen eigentlich ganz gut zu kennen. Wer auf ein ereignisreiches Leben mit Zweifeln zurückblicken will, wird hier ganz gut unterhalten. Stermann, Grissemann und Maschek wären für ihre Satire sicher zufrieden, wenn Alex Bundespräsident wird.

Alexander van der Bellen mit AFEU Autor Lukas Schumacher
Alexander van der Bellen mit AFEU Autor Lukas Schumacher

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