Von Star Wars, Berlin und Tiroler Wanderkino

9 Minuten Lesedauer

Lukas Ladner


Eine Galaxie weit, weit weg gilt als Urknall für Lukas Entscheidung Regie zu studieren: Star Wars: „Mich hat das so fasziniert, welche Welten da erschaffen werden“. Aber bevor Lukas weit, weit weg ging, machte er erstmal die HTL für Wirtschaftsingenieure. Dort merkte er zwar schnell, dass er wahrscheinlich nicht der Auserwählte war, der dunklen Seite des Vaters wollte er sich aber nicht stellen und eigentlich war er sich ziemlich sicher, dass in seiner Prophezeiung irgendwo irgendwas von einem Maturaabschluss stand. Außerdem hatte er damit auch gleich einen Beruf. Ganz klassisch ging es nach der HTL auf die theologische Fakultät um dort Philosophie zu studieren. Während dieser Zeit bewarb er sich auf einigen Filmhochschulen. Das war relativ aufwendig, weil jede Hochschule sehr spezifische Bewerbungsfilme wollte. Er konnte also nicht einen Film machen und diesen dann an mehrere Schulen schicken. Was der Hochschule in Wien nicht gefiel, reichte in Berlin aber für die Aufnahme: „Die wollten einfach irgendeinen Film“. Und so verschlug es Lukas 2013 in die weit, weit entfernte Hauptstadt der Bundesrepublik.

Jährlich mussten die Studierenden dort einen Film produzieren. Für seinen Bachelor-Abschluss-Kurzfilm ging es diesen Sommer zurück ins weit, weit entfernte Tirol. Seine Ausbildung beschreibt er als sehr empfehlenswert, für einen eventuellen Master möchte Lukas aber am liebsten nach Sarajevo oder Prag. Ihm ist wichtig, von neuen Lehrenden neuen Input zu bekommen.


Treibgut


Der Bachelor-Abschluss-Kurzfilm, bei dem auch Absolventen für Kamera und Produktion der Filmuni mitarbeiten, basiert vage auf Lukas Erwachsenwerden in Tirol. „Ich war ein Kopfmensch, jemand der sich in dieser unfertigen Phase seiner Selbstfindung schon viel zu eindringlich reflektierte. Die daraus resultierende Unsicherheit machte es mir zusehends schwerer, meinen Platz in der Gesellschaft zu finden.“ Gefragt, ob Lukas rückblickend Dinge anders machen würde, meinte er: „Also ich hätte wirklich einfach mal TUN sollen, nicht ewig nachdenken.“ Zerrissen zwischen eigenen Wünschen, Freunden und Erwartungen an einen werden wir in „Treibgut“ also eine Episode bis zu einer Entscheidung mitverfolgen dürfen.


Die Umsetzung


Nachdem das Skript mit Hilfe einer Freundin stand, ging es an den Cast: „Ich hab’ hier (in Tirol Anm.) mehr Menschen gefunden, mit denen ich arbeiten möchte, als an meiner Filmuni. Tirol hat tolle Schauspieler_innen. Hier ist eine vitale Szene, die sich leider selbst etwas aufreibt.“ Die Hauptrolle, Michael, wird von einem Laien gespielt, aber auch bekannte Namen wie Ronja Forcher (Bergdoktor) oder Thomas Gassner (Regisseur + Schauspieler) sind dabei. „Bei Thomas war das reine Kulanz, er hat gesagt, er macht das gern. Die Ronja hat in der Agentur ihrer Eltern die Projektmappe gefunden und hat dann mich angeschrieben.“

Um die Freundschaft der jugendlichen Clique vor die Kamera zu bringen, wurde schon vorher viel improvisiert und Zeit miteinander verbracht „außerdem gingen wir auf Konzerte und wir haben auch z’amm g’soff’n!“.
Die 14 Drehtage wurden relativ professionell durchgezogen, es gab keine nennenswerten Reibereien in der gesamten Crew, was auch auf der Erfahrung der letzten beiden Ausbildungs-Filme fußte. „Man kommuniziert Ideen oft nicht, weil man glaubt, die anderen finden sie scheiße. Da entstehen die Probleme. Das haben wir diesmal sehr offen durchgezogen und ich selbst hab mich auch intensiver vorbereitet.“


Tirol im Film


„Tirol ist filmisch wahnsinnig interessant, nicht finanziell, da ist es eine Katastrophe. (…) Es ist sehr einseitig besetzt. (…) Abseits vom klassischen Heimatfilm, der eh keinen interessiert, ist es noch relativ unentdeckt. (…) Sprache und Dialekt werden im Österreichischen Film oft dämonisiert. Ich glaub’, das hat was mit der NS-Zeit zu tun. (…) Österreicher_innen interessieren sich auch nicht für ihre Filme. „Das weiße Band“ von Haneke lief zum Beispiel erst in heimischen Kinos, als er internationale Erfolge feierte. (…)“

„Das ländliche Tirol befindet sich in einem Zustand des Übergangs von Tradition zur Moderne. Ich hab’ mich als Inzinger nie als klassischen Dorfmenschen empfunden. Ich war in 15 Minuten in Innsbruck. In Berlin brauch ich da viel länger. Da schwappt was über. Das große Landsterben wie in Deutschland seh’ ich hier nicht. Meine Hauptschul-Kollegen sind so mit 22 viel gereist und dann wieder zurück: in die selben Bars, in die selben Kneipen wie ihre Väter und Großväter. Da sind interessante Geschichten.“


 Ein paar Fragen zum Schluss


AFEU: Wann kann man „Treibgut“ sehen?

Lukas Ladner:  Also bis Dezember wollen wir den Film fertig haben und dann auf Filmfestivals präsentieren. Das Problem ist, das diese Festivals immer auf das Premierenrecht pochen. Man darf den Film also nicht vorab in Kinos Zeigen. Wir möchten ihn in Tirol zeigen, aber da reden wir dann von Herbst/Winter 2017. Und ich möchte auch raus aufs Land. Meine Oma hat mir gesagt, früher gab es immer ein Wanderkino. Welches Feedback von einem studentisch-linken Umfeld kommt, weiß ich schon. Aber Kunst ist, laut meiner Auffassung, schon für eine größere Gemeinschaft gedacht, nicht nur für das Bildungsbürgertum. Olga Neuwirth (Komponistin Anm.) sagte mal, sie wolle vor unbesetzten Räumen spielen, wo man das Publikum nicht vorher kennt. Und weil es aber keine unbesetzten Räume gibt, muss man Orte besetzten, die normalerweise nicht besetzt werden. Mich interessiert welche Leute dann kommen und welches Feedback sie geben. Leute, die eben nicht ins Leokino gehen.

Lukas Ladner
Lukas Ladner (c) privat

AFEU: Wie bist Du mit dem Dreh-Material zufrieden?

Ladner: Sehr. Nur muss man noch schauen, dass das Ländliche nicht zu eindimensional dargestellt wird. ‚Das Dorf’ wird hauptsächlich durch die Familie repräsentiert. Im Kurzfilm haben wir jetzt aber nicht die Zeit, deren menschliche Seite zu zeigen, weil sie die Handlung vorantreiben müssen. Das wird noch eine kleine Herausforderung.

AFEU:   Was hast du vom Oscar-nominierten Kurzfilm 2016 „Alles wird gut“ gehalten? Ich hab’ ihn gesehen und rezipiert, war aber enttäuscht.

Ladner:  Ich hab’ ihn gar nicht gesehen. Aber ich hab’ das auch gehört. Kein künstlerisches Werk kann wohl jedem Hype standhalten, der ihm auferlegt wird. Der Oscar ist kein Preis, auf den man als europäischer Filmemacher bauen sollte, weil er nichts damit zu tun hat, wie europäischer Film gemacht wird. Ganz andere Werte, filmische Werte, gelten im amerikanischen Raum.

AFEU:   Das heißt also lieber Cannes, Berlinale und Venedig?

Ladner:  Ja. Obwohl ich bei der Berlinale sehr kritisch bin. Da wurden jetzt oft Filme ausgezeichnet, weil sie politisch gerade so in die Zeit passen und nicht wegen ihrer Qualität. Und Cannes verweigert sich etwas gegen Innovation. Die glauben, sie definieren, was Arthouse ist.

AFEU:   Gibt es noch alte Skripten von Dir, die Du wiederaufnehmen möchtest?

Ladner:  Nein. Das ist so wie mit Seminararbeiten aus dem ersten Semester, die sind dann doch nicht so toll. Damals wollte ich mit Ideen beeindrucken. Heute mache ich, was mich interessiert.


Impressionen


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Alle Bilder: (c) Sarah Milena Herbst

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